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Donnerstag, 14. Juni 2018

Ein bedeutender archäologischer Fund

Alfred Hidber mit seiner Zeichnung

Alfred Hidber kam im Jahr 1965 als frisch ausgebildeter Hochbauzeichner von Sargans nach Zurzach, um eine Stelle im Archäologiebüro von Hans Rudolf Sennhauser anzutreten. Zurzach gefiel ihm und er blieb - bis heute. Alfred Hidber war als Zeichner bei archäologischen Grabungen tätig. Seit Jahren betreut er u.a. das Bezirksmuseum Höfli und leitet baugeschichtliche Führungen durch Bad Zurzach.


Alfred Hidber, hier im Bezirksmuseum hängt eine Ihrer Zeichnungen. Es zeigt den Zurzacher Stiftsbezirk aus der Perspektive des Hahns auf dem Turm des Verenamünsters. Welche Bedeutung hat die Kirche für den Flecken?
Das Grab der heiligen Verena war ganz wichtig für die Entwicklung von Bad Zurzach. Doch auf die Gefahr hin, Illusionen zu zerstören: Die Legende von der thebäischen Legion, mit der die heilige Verena von Ägypten via St. Maurice und Solothurn schliesslich nach Zurzach gekommen sein soll, muss man relativieren. Denn damals war es „Mode“, Gebeine von Märtyrern auszugraben. Bei St. Maurice im Wallis entdeckte der damalige Bischof ein ganzes Gräberfeld und verkündete, er habe die „Thebäische Legion“ gefunden. 
Die Wallfahrt zum Grab der heiligen Verena ist seit dem 5. Jahrhundert denkbar.

Liegen hier die Anfänge des Tourismus in Bad Zurzach?
Auch falls es die heilige Verena nicht gegeben hat, ist für Zurzach als Ort vor allem wichtig, was wegen der Verehrung ihres Grabes passierte. Dieses Grab war infolge einsetzender Wallfahrt bald lukrativer als der Übergang über den Rhein. Zurzach – so darf man wohl behaupten – lebte seit dem 5. Jahrhundert vom Tourismus. 


Das Verenamünster in Bad Zurzach
Erst nachdem 1855 die letzte Messe in 
Zurzach stattgefunden hatte, brach diese Basis weg. Was folgte, waren Jahre der Schockstarre, weil der bisher alljährlich zweimal niedergehende Geldsegen plötzlich ausblieb. Einige Jahre später erfuhr Jakob Zuberbühler, ein Unternehmer aus dem Appenzellischen, von den vielen leerstehenden Messegebäuden. Diese wollte er für die Gründung einer Textilfirma nutzen. Er kam mit einem kleinen Trupp, fasste in Zurzach Fuss und baute innerhalb von 28 Jahren von Null auf ein Unternehmen mit 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf. Zuberbühler engagierte sich auch in sozialer Hinsicht. Und er unterstützte unter anderem auch Cornelius Vögeli, der nach Salz bohren wollte, finanziell. Das stellte sich als wichtig für den weiteren Verlauf der Zurzacher Geschichte heraus. 

Haben Sie schon einmal einen speziellen Fund gemacht?
Ich durfte bei den Ausgrabungen im Verenamünster dabei sein und da kam eine so genannte „Fingerkunkel zum Vorschein, ein aus einem Tierknochen gearbeiteter Stiel mit Finger-Öse, auf den beim Spinnen das Vorgarn aufgewickelt wurde. Sie könnte aus der legendären Lebenszeit der heiligen Verena stammen und war die Grabbeigabe eines jungen Mädchens. Das war für mich der interessanteste Fund. Die Öse am einen Ende war entzweigebrochen – vielleicht ein Symbol dafür, dass das junge Mädchen diese Kunkel wegen ihres frühen Tods nie hat brauchen können? Sie sehen, um diese Kunkel könnte man eine ganze Geschichte spinnen. 

Sie amten als Museumsleiter im Bezirksmuseum Höfli. Was können die Leute dort entdecken?
Die Geschichte rund um die Heilige Verena darf natürlich nicht fehlen, ebensowenig die für das mittelalterliche Zurzach wichtige Zeit der grossen Märkte, die sich aus der Wallfahrt entwickelten.

Eine Geschichte, die immer wieder irgendwo zum Vorschein kommt.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie daran denken, wie viel Aufschlussreiches noch im Zurzacher Boden ruhen könnte?
Manchmal sind Dinge in der Erde gar nicht so schlecht aufgehoben. Je später sie entdeckt werden, desto fortgeschrittener sind die wissenschaftlichen Methoden, um die Fundgegenstände zu bestimmen und richtig einzuschätzen.
Es gibt aber auch Fälle, in denen archäologisch Wertvolles im Boden Schaden nimmt. In Bad Zurzach ist das im Wasenacher der Fall, wo gut 1000 Gräber liegen. Eine archäologische Sondiergrabung ergab, dass die Gräber aus dem 6. bis 9. Jahrhundert stammen. Ich nehme das Wort „Sensation“ nicht gerne in den Mund. Doch das Gräberfeld Wasenacher stellt auf nationaler, wenn nicht gar auf internationaler Ebene einen einzigartigen Komplex dar, weil er ein (noch) vollständiges Ensemble bildet. Aber die intensive landwirtschaftliche Nutzung auf diesem Areal mit dem Pflügen und den Düngemitteln fügt den Gräbern empfindlichen Schaden zu.

Warum werden die Gräber nicht geborgen?
Das bräuchte viel Personal und Geld, welches der Kanton momentan nicht hat. Und vielleicht ist das auch gut, denn die Methoden, um Funde zu beurteilen, erweitern sich stetig. Sicher wird man später einmal sagen: Zum Glück hat man das nicht schon 2018 geborgen. Es wäre jedoch dringend nötig, die intensive Nutzung dieses Ackers zu stoppen.

Welchen Ort muss man Ihrer Meinung nach anschauen, wenn man ein paar Tage in Bad Zurzach verbringt?
Römisches Kastell "Chilebückli"
Das Chilebückli. Erstens ist es ein sehr idyllischer Platz. Und zweitens beginnt dort die nachrömische Zurzacher Geschichte. Dort fiel der Startschuss für den Flecken, wie wir ihn heute kennen.

Auch das Verenagrab ist einen Besuch wert. Nüchtern betrachtet mögen starke Zweifel an der realen Existenz der Heiligen aufkommen, doch die Verehrung, die dieser legendären Heiligen entgegengebracht wurde, war entscheidend für die Entwicklung des Fleckens vom mittelalterlichen Marktort zum heutigen Bad Zurzach. Sogar die moderne Wellnessdestination lässt sich auf sie zurückführen: ohne Verena keine Wallfahrt, ohne Wallfahrt keine Messen, ohne Messen keine leerstehenden Messehäuser für Jakob Zuberbühler, ohne Zuberbühler keine Salzbohrungen durch Cornelius Vögeli, ohne Salz-Vögeli keine Entdeckung der Quelle. 

Ohne die Heilige Verena gäbe es also Bad Zurzach in dieser Form nicht?
Ziemlich sicher nicht. Die Entdeckung des Grabs, das man als jenes von Verena annahm, war entscheidend. Am Beispiel von Zurzach sieht man, wie ein einziger Fund die gesamte Geschichte in neue Bahnen lenken kann. Es gibt in der Schweiz kaum einen anderen Ort dieser Grösse, der eine so vielfältige Geschichte vorweisen kann wie Bad Zurzach.

Für Interessierte: Gruppenführungen ab 10 Personen, 90 Minuten


Gasthof zur Waag
       
  • Fleckenführung 
  • Führung zur römischen Geschichte
  • Bohrturmführung
  • Führung durchs Bezirksmuseum Höfli


Buchbar unter 056 269 00 60 für Gruppen